Wie lebt man ohne Citytreff ?

So sieht positiver Stress aus: Die Handballvorstände Michael Dengler und Jens Heck im Jahr 2019 auf dem Festplatz an der Wallstraße kurz vor Beginn des Citytreffs: Gerade hatte ein großes Club-Team den Aufbau fertig, und die beiden gönnten sich ein Pils in der Sonne – Szenen, die in diesem und letzten Jahr nicht möglich sind. Archivfoto: Privat Festlaune, Abendtrubel, Zusammentreffen von Tausenden beim Citytreff 2019: Das alles ist in diesem Jahr noch undenkbar. Archivfoto: Schneider

 

Ein Interview von Martin Schmitzer von der Winnender Zeitung mit unseren Vorständen Michael Dengler und Jens Heck zum Thema „Wie lebt man ohne Citytreff?“

 

Der Handballclub Winnenden ist ein wichtiger Motor des Stadtfests – Aktive vermissen den positiven Stress.

Corona vermasselt unglaublich viel, aber das Größte, was ausfällt, ist der Citytreff, der jedes Jahr viele Tausend Besucher anzieht, der seit einer Reform unter dem seinerzeitigen Kulturmanager Hansjörg Neumann viele Winnender zusammenbringt und die Vereine wieder fürs Fest aktiviert. Für Festpublikum bedeutet der Ausfall einen großen Verzicht. Und für die Vereine nicht weniger. Jedes Jahr ist dieses größte aller Winnender Feste richtig Stress für die mit Ständen aktiven Vereine und erst recht für den Handballclub Winnenden, der ganz alleine vier Stände an der Wallstraße betreibt. Ihm fehlen das Fest, das Geld und der Stress. Vorsitzender Michael Dengler und Kassier Jens Heck denken sehr gerne an den positiven Stress des letzten Citytreffs zurück.

Auf dem Platz an der Wallstraße bauen Handballer vier Stände auf

Der ist mittlerweile schon zwei Jahre her, denn auch 2020 war das Fest wegen Corona ausgefallen. Der Handballclub Winnenden war zuvor durch die Fusion von Eichenkreuz und SV-Handballabteilung zu einem schlagkräftigen Verein mit 400 Aktiven geworden und hatte sich zu einem der Motoren des Fests entwickelt. Den Platz an der Wallstraße, wo die großen Profi-Bands tanzbare Musik spielen – Rock, Soul, Salsa, –, bestückten die Handballer mit vier Getränkeständen; einem Weinstand, einem Bierwagen, einer Cocktailbar und einem mit breiter Getränkeauswahl, Säften und nichtalkoholischen Getränken. Irgendwie gehört es zu ihrem Vereinsverständnis: Wenn die Stadt ruft, wenn sie Stände braucht bei einem Fest, das viele bewegt, dann machen die Handballer mit, dann zeigen sie, was ihr Verein auf die Beine stellen kann.

Beim Citytreff hat der Club 200 Mitglieder mobilisiert

Seit Jahrzehnten sind sie ein Festfaktor. Die SV-Handballer hatten schon beim allerersten Citytreff Ende der 70er Jahre einen Stand. Seit knapp 30 Jahren sind die Eichenkreuz-Handballer dabei. Immer Mitte bis Ende Juli ist das Fest. „Aus wirtschaftlicher Sicht ist es das Hauptevent des Vereins“, sagt Kassier Jens Heck. Aber auch in Sachen Geselligkeit, Vereinskultur und Gemeinschaftserlebnis ist der Citytreff ein großer Faktor. „Wir fiebern alle darauf hin“, sagt Heck. Jetzt, in diesen Wochen vor dem Festtermin, würden Vorbereitungen laufen, würden sich Arbeitskreise treffen und das Personal einteilen für Stände, würde man die Getränke bestellen, die Standplätze wären schon lange reserviert. Eine Menge Arbeit wäre zu leisten. „Das ist ein positiver Stress“, sagt Heck, „danach freut man sich gemeinsam, wenn’s geklappt hat, wenn wir zu einer guten Stimmung beim Fest beigetragen haben.“ Die Handballer mobilisieren pro Citytreff etwa 200 Mitglieder. Keiner soll das ganze Fest über nur für die Arbeit reserviert sein. Jeder ist für begrenzte Zeit im Einsatz, im Schichtbetrieb. Das Fest genießen kann er an den anderen Festtagen. Für den ganzen Verein ist es praktisch Ehrensache, dass man beim Citytreff sich einbringt. Dass das Fest nun zum zweiten Mal in Folge ausfällt, wird wahrscheinlich nichts an dieser Haltung ändern.

Die Stadt hat im letzten Jahr den Ausfall zum Teil abgefedert

In der Kasse macht sich der Ausfall bemerkbar, aber der Verein bleibt stabil, und die Stadt hat ihm im letzten Jahr dabei auch geholfen, indem sie nach dem ausgefallenen Citytreff das Festbudget unter den beteiligten Vereinen verteilt hat. „Das hat einiges abgefedert, und dafür sind wir sehr dankbar“, sagt Heck. Der Handballclub hat zum Glück geringe Fixkosten, muss keine Immobilie unterhalten oder abzahlen. „Wir haben eine hohe Ehrenamtsstruktur“, sagt Kassier Heck. Der Club lebt von der Arbeit und den Beiträgen seiner Mitglieder, und Vorsitzender Michael Dengler ist sehr froh, dass – obwohl zurzeit kein Training möglich ist – die Vereinsaustritte nicht zunehmen, wie das von anderen Sportvereinen bekannt wurde. Allerdings lebt auch der Handballclub damit, dass es zurzeit keine Neumitglieder gibt für den Verein. Auch für Neuzugänge fehlt so etwas wie der Citytreff, bei dem der Club ganz beiläufig seine Vereinskultur beweisen, Kontakte knüpfen und vielleicht neue Mitglieder gewinnen konnte.

Ein Zusammentreffen von Tausenden? „Das ist unvorstellbar“

Wie sieht man diesen Festausfall angesichts sinkender Inzidenzen jetzt? Können Michael Dengler und Jens Heck ihn noch nachvollziehen? „Wir bedauern, dass das Fest ausfällt, aber wir sehen das alle ein. Das Datum 16. Juli liegt zu nah“, sagt Dengler. Und Heck konkretisiert: „Die Entscheidung ist absolut vertretbar. Es ist doch so: Heute dürfen sich nicht einmal vier Personen treffen – wie sollen dann in zwei Monaten Tausende von Zusammentreffen an einem Tag möglich sein? Und das wären bei uns so viele. Das ist unvorstellbar.“

 

 

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